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Unsere Anfrage an die Parteien im baden-württembergischen Landtag und Stuttgarter Gemeinderat:

Betr.: Die Untertunnelung des Fernsehturms

Sehr geehrte/r Frau/Herr. . . . . ,

der bislang vom Fasanenhof bis zum südlichen Ortsrand von Degerloch gebohrte Fildertunnel soll bis Ende 2017 direkt unter dem Fernsehturm hindurch gebohrt werden – in großer Tiefe zwar, aber riskanterweise in der Schicht des quellfähigen Gipskeupers, der bei versehentlich herbeigeführtem Wasserzutritt sein Volumen um 60% vergrößert. Die dabei auftretenden physikalischen Kräfte sind so groß, dass sie wie etwa in Staufen/Breisgau aus 100 m Tiefe heraus einen ganzen Stadtkern bereits um über 50 cm anzuheben vermochten – mit fatalen Folgen für die Gebäude darüber!

Würde sich der Boden wegen der knapp doppelt so tiefen Lage des quellfähigen Gipskeupers unter dem Fernsehturm auch nur um 15 cm heben, würde dessen Spitze bereits um 1,24 m aus der Lotrechten kippen. Hinzu kämen noch die natürlichen Auslenkungen durch den Wind bis hin zu Sturmstärken. Eine – dann dauerhafte – Schließung des Turms wäre die Folge.

Dieses Risiko lässt sich leicht durch Verschieben der (noch nicht gebohrten!) Fildertunneltrasse um einen viertel Kilometer nach Osten vermeiden. Dort befindet sich nur Wald, und der 9,5 km lange Fildertunnel würde dadurch gerade einmal um 70 m länger. Die Presse hat darüber bereits berichtet.

Wir Fernsehturmfreunde würden gerne Vertretern Ihrer Partei in einem persönlichen Gespräch die genaue Sachlage erläutern und in Erfahrung bringen, ob Ihre Partei unsere bereits von über 2000 Bürgern unterzeichnete Forderung nach einer Verlegung der Fildertunneltrasse unterstützen würde. Bitte teilen Sie uns einen Termin und Ort für ein Gespräch mit. Von unserer Seite aus würden 2 oder 3 Personen teilnehmen.

Im Voraus besten Dank für eine Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Katharina Georgi für die Gruppe Fernsehturmfreunde

Antworten der angeschriebenen Parteien im baden-württembergischen Landtag und Stuttgarter Gemeinderat nach Reihenfolge des Eingangs:

FDP im Landtag

Sehr geehrte Frau Georgi,

der Vorsitzende der Fraktion der FDP/DVP im Landtag von Baden-Württemberg, Herr Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL, dankt für Ihre Nachricht vom 14.02.2016, in der Sie auf eine geänderte Trassenführung im Bereich des Stuttgarter Fernsehturms eingehen. Mit Interesse haben wir Ihre Informationen gelesen und von Ihrem Gesprächswunsch Kenntnis genommen.

Wir als Landtagsfraktion sind kein Projektpartner des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm und können auf dessen Ausgestaltung keinen Einfluss nehmen. Diese Möglichkeit hat das Land, vertreten durch die Landesregierung. Sofern unsere Landtagsfraktion nach den Wahlen am 13. März 2016 in Regierungsverantwortung kommen sollte, bestünde theoretisch die Möglichkeit, das Thema zielführend aufzugreifen. Wir können uns auch vorstellen, das Thema nach der Wahl mittels eines Landtagsantrags aufzunehmen. Diese besteht auch als Oppositionsfraktion. Nachdem jetzt eingereichte Anträge nicht mehr beraten werden, weil vor der Wahl keine Ausschusssitzungen mehr stattfinden, hätte ein solcher zur jetzigen Zeit kaum einen Sinn.

Vor dem Hintergrund, dass momentan keine hinreichend aussichtsreichen Möglichkeiten bestehen, bitten wir um Verständnis dafür, dass aus unserer Sicht ein weiterer Meinungsaustausch erst zu Beginn der nächsten Legislaturperiode hat.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hans-Ulrich Rülke

SPD im Gemeinderat

Sehr geehrte Frau Georgi, vielen Dank für Ihre Nachricht. Mir ist nicht so ganz klar, über was wir sprechen könnten. Der Tunnel ist doch planfestgestellt und ist bereits im  Bau. Haben Sie mal mit der Bahn gesprochen? Was könnten wir als Stadt jetzt hier entscheiden?

Mit freundlichen Grüßen,

Martin Körner

CDU im Landtag

Sehr geehrte Frau Georgi,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 14. Februar 2016, auf die ich Ihnen gerne antworte.

Ihre Befürchtung, die Tunneltrasse unterhalb des Fernsehturms könne zu einem Kippen des Fernsehturms führen, wurde in den vergangenen Wochen bereits mehrfach in den Medien thematisiert. Zuständig für die Trassenführung des Fildertunnels ist die Deutsche Bahn AG als Vorhabenträger.

Die genaue Trassenführung – auch unterhalb des Fernsehtunnels – ist grundsätzlich seit langem bekannt, der bestandskräftige Planfeststellungsbeschluss liegt bereits seit dem Jahr 2005 vor. Nach meiner Kenntnis trifft die Deutsche Bahn AG alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen, um das Eindringen von Wasser in den quellfähigen Gipskeuper zu verhindern. So ist dafür Sorge getragen, dass die Tunnelröhren eine ausreichende Entfernung zu wasserführenden Schichten haben. Außerdem lässt die Deutsche Bahn den fraglichen Abschnitt des Fildertunnels – immerhin über eine Strecke von 1,15 km – nicht mit einer Tunnelbohrmaschine, sondern mit konventionellen Baggern unter permanenter Sichtkontrolle graben.

Ich bitte um Verständnis, dass im zeitlichen Umfeld der anstehenden Landtagswahl am 13. März 2016 ein persönliches Treffen aus terminlichen Gründen nicht mehr möglich ist. Ich habe Ihr Schreiben jedoch dem zuständigen Arbeitskreis „Verkehr und Infrastruktur“ für die weitere politische Diskussion und Bearbeitung zugeleitet und danke Ihnen für Ihr Engagement.

Mit freundlichen Grüßen

Guido Wolf MdL

GRÜNE im Landtag

Sehr geehrte Frau Georgi,

bezüglich der geologischen Situation unter dem Stuttgarter Fernsehturm hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI) bei der Deutschen Bahn AG nachgefragt, weshalb die Trasse genau unter dem Fernsehturm verläuft und ob Sicherheitsbedenken bei diesem Trassenverlauf bestehen.

Die DB AG hat dazu Stellung genommen und mitgeteilt, dass die Röhren des Fildertunnels im Bereich des Fernsehturms eine Überdeckung von mehr als 220 Meter hätten. Die Tunnelröhren lägen im unausgelaugten, anhydritführenden Gipskeuper, der trocken sei. Wasserführende Schichten hätten von den Firsten der Tunnelröhren einen Abstand von mehreren Tunneldurchmessern. Wasser könne somit von oben nicht bis zum Tunnel vordringen. Beim Bau der Wendeschleife der S-Bahn Stuttgart unter dem Hasenberg habe sich gezeigt, dass der Tunnel auch bei einem wesentlich geringeren Abstand zu den wasserführenden Schichten trocken geblieben sei.

Durch den Entwurf und Bau müsse sichergestellt werden, dass in Tunnellängsrichtung kein Wasser in das quellfähige Gebirge zutreten könne. Hierzu dienten die bereits mehrfach – u. a. in der Schlichtung – vorgestellten Abdichtungsbauwerke. Die Bevölkerung könne deshalb mit Blick auf ihren Fernsehturm völlig beruhigt sein: Ein Risiko für das Auftreten von Hebungen bestehe nicht.

Die Trassenführung, so die Bahn AG weiter, entspreche dem idealen Verlauf zwischen den Zwangspunkten der Tunnelportale unter Berücksichtigung von fahrdynamischen Anforderungen und der erwarteten Geologie. Da bei der Überdeckung im Bereich des Fernsehturms keinerlei Wechselwirkungen zwischen den Tunneln und der Oberfläche zu erwarten seien, erfolge die genaue Unterfahrung des Fernsehturms rein zufällig.

Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) hat auf Anfrage des MVI dazu folgendermaßen Stellung genommen: Die beiden Röhren des ca. 9,5 km langen Fildertunnels durchfahren nach vorliegender Baugrunderkundung auf ca. 4 km Strecke das quellfähige Gebirge des anhydritführenden Gipskeupers. Im Tunnelabschnitt auf Höhe des Stuttgarter Fernsehturms wurde der sog. Anhydritspiegel (dies entspricht dem ersten Auftreten von Anhydrit von der Erdoberfläche her) ca. 185 m unter Geländeoberfläche und damit etwa 30 m oberhalb der Tunnelfirste des Fildertunnels angetroffen.

Dies lasse erwarten, dass der anhydritführende, quellfähige Gipskeuper im Tunnelbereich vollkommen trocken aufgefahren werde. Aufgrund der Bohrergebnisse (hier: Bereich Jahnstraße/Kirchheimer Straße) lägen keine Hinweise auf geologisch bedingte vertikale Wasserzuflüsse in den Anhydritbereich vor. Diese hätten im Übrigen bewirkt, dass es bereits in geologischen Zeiträumen eine Umwandlung von Anhydrit in Gips oder gar eine lokale Gipsauslaugung gegeben hätte.

GRÜNER BAUBÜRGERMEISTER + OB

Sehr geehrte Frau Georgi,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 15.2.2016, in dem Sie ein Risiko für den Fernsehturm im Zuge der Untertunnelung durch Stuttgart 21 schildern. Eine E-Mail in gleicher Angelegenheit ging am selben Tag an Herrn Oberbürgermeister Kuhn. Insofern darf ich Ihnen auch in dessen Namen antworten.

Nach Prüfung des Sachverhalts stellt sich die Angelegenheit für uns wie folgt dar: Für fraglichen Planfeststellungsabschnitt 1.2 wurde ein rechtskräftiger Bescheid des Eisenbahn-Bundesamts erteilt. Dies setzt voraus, dass alle geotechnischen Belange – hierzu gehört auch die Durchtunnelung der Anhydritbereiche – geprüft wurden und dass entsprechende Risiken, die zu baulichen Standsicherheitsproblemen in der Umgebung führen können, auszuschließen sind. Ansonsten wäre das Vorhaben nicht genehmigungsfähig gewesen.

Im Hinblick auf die fachlichen Grundlagen, auf die sich diese Genehmigung stützt, liegen unseres Wissens keine neuen Erkenntnisse vor, die eine Neubewertung der geotechnischen Risiken rechtfertigen. Daher gibt es aus unserer Sicht in Fragen der Standsicherheit des Fernsehturms weder Versäumnisse noch Anlass zur Sorge und demzufolge auch keinen Handlungsbedarf. Davon geht der Eigentümer des Fernsehturms – der SWR – offensichtlich auch aus, da von dessen Seite soweit uns bekannt weder im Anhörungsverfahren noch im Nachgang zum erteilten Planfeststellungsbescheid diesbezügliche Einwendungen bzw. Bedenken erhoben wurden.

Da die Stadt Stuttgart darüber hinaus in geotechnischen Belangen keine Prüf- oder Kontrollzuständigkeiten zu Stuttgart 21 hat, gibt es für uns auch keine Möglichkeiten, diesbezügliche Forderungen erheben oder im Nachhinein Einfluss auf rechtskräftige Entscheidungen des Eisenbahn-Bundesamts nehmen zu können.

Es bleibt uns demzufolge allenfalls die Empfehlung an Sie, Ihre Belange direkt an das zuständige Eisenbahn-Bundesamt mit der Bitte um Klärung heranzutreten.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Pätzold

Bürgermeister

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