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Wie wägt man Risiken vernünftig ab?

Es ist ein ungelöstes Menschheitsproblem: Wie wägt man Risiken vernünftig ab? Meist geschieht es unbewusst, recht rasch "aus dem Bauch heraus". Bei näherem Hinsehen jongliert dabei jeder immer mit diesen 3 Faktoren:

An einer extremen Risikotechnologie wie der Atomenergie, die im Versagensfall ganze Landstriche oder gar Länder für viele Generationen unbewohnbar macht, lässt sich eine vernünftige Risikoabwägung deutlich machen:

Vernünftige Risikoabwägung
Ist das potentielle Schadensausmaß extrem groß (wie etwa bei einem durchbrennenden Reaktor), braucht man sich über die Eintrittswahrscheinlichkeit gar nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Denn die Menschheitserfahrung lehrt: Was schief gehen kann, geht früher oder später auch einmal schief (bekannt als "Murphys Gesetz"). Man sollte dann vernünftigerweise alle Energie, Kreativität und alle Ressourcen auf die Entwicklung alternativer Wege/Technologien zur Erreichung des Ziels verwenden.

Risikoabwägung im Fall "Untertunnelung des Stuttgarter Fernsehturms im Gipskeuper"

Im Falle der geplanten Untertunnelung des Stuttgarter Fernsehturms ist das maximale materielle Schadensausmaß im Falle einer Gipskeuperquellung verglichen mit einem Nuklear-GAU gering. Der Turm müsste dann halt ab einem bestimmten Neigungsgrad für die Öffentlichkeit dauerhaft gesperrt und dessen Sendefunktion möglicherweise eingeschränkt werden. Doch der immaterielle Schaden wäre insbesondere für die baden-württembergische Bevölkerung immens groß. Denn der von Prof. Fritz Leonhardt 1956 fertiggestellte Stuttgarter Fernsehturm war und ist der Erste seiner Art weltweit, nach dessen genialem konstruktiven Vorbild alle anderen Fernsehtürme der Welt (ausser dem in Moskau) gebaut wurden. Er ist damit ein weiteres Aushängeschild für überragende baden-württembergische Ingenieursleistungen, ein 60 Jahre altes Technik-Avantgarde-Bauwerk, auf das die Stuttgarter und die Baden-Württemberger zu Recht sehr stolz sein dürfen.

Dieses zu einem Symbol baden-württembergischen Pioniergeists gewordene Meisterbauwerk nun OHNE JEDE NOT einem Beschädigungsrisiko auszusetzen, ist sträflich unvernünftig. Denn wenngleich die geplanten zwei Tunnelröhren in großer Tiefe unter dem Turmfundament durchgetrieben werden sollen, gilt auch hier "Murphys Gesetz". Kein seriöser Ingenieur und Geologe wird seine Hand dafür ins Feuer legen rspktv. sein Diplom dafür auf's Spiel setzen, dass dem Turm darüber GARANTIERT NICHTS PASSIEREN WIRD. Umgekehrt kann redlich auch niemand einen sicheren Beweis führen, dass die Untertunnelung dem Turm ganz sicher schaden wird. Wie also soll man hier zu einer vernünftigen Abwägung und darauf fußend zu einem vernünftigen Risikoabwäge-Entschluss kommen?

Die Betrachtung des Mehraufwands für eine Alternativlösung kommt bisher meist zu kurz

Nun, in solchen Fällen, in denen Behauptung gegen Behauptung, Glaube gegen Glaube, Weltbild gegen Weltbild steht, ist es äusserst hilfreich, den Blick auf den Mehraufwand für eine Alternativlösung, hier: den baulichen Mehraufwand für eine alternative Trassenführung der Tunnelröhren, zu lenken. Und dieser Mehraufwand ist im hier vorliegenden Fall geradezu verschwindend gering:

Bohrte man die beiden Tunnelröhren nicht wie bisher geplant direkt unter dem Fernsehturm, sondern mit einem Sicherheits-Seitenabstand von wenigstens einem viertel Kilometer weiter östlich unter dem Wald hindurch, würden sich die beiden 9,5 km langen Fildertunnelröhren gerade einmal um 0,07 km = 70 Meter verlängern, siehe die Wegemessung unten im Bild (nachgemessen auf der offiziellen Projektkarte www.biss21.de ab der Stelle der abweichenden Trassierung)!

Unter diesen Gegebenheiten an der undurchdachten restrisikobehafteten Ursprungsplanung festhalten zu wollen, wäre angesichts des immensen ideellen Werts des Fernsehturms hochgradig unvernünftig.

Graphisch dargestellt sieht die vernünftige Abwäge-Lage im Fall der geplanten Fernsehturmuntertunnelung also wie folgt aus:

Auch wenn letztlich niemand im voraus beweisen kann, dass dem Turm durch eine Untertunnelung im quellfähigen Gipskeuper GARANTIERT ETWAS oder GARANTIERT NICHTS passieren kann, so gibt es doch eine ganze Reihe Indizien und warnende Vergleichsfälle, die zu betrachten sich lohnen.

Bleibt zum Schluss für die Zukunft die verallgemeinerbare Erkenntnis festzuhalten, dass immer dann, wenn das potentielle Schadensausmaß materiell oder ideell extrem groß und/oder der Mehraufwand für eine Alternativlösung eher klein ist, die Eintrittswahrscheinlichkeit keine oder nur die geringste Rolle in einem vernünftigen Risikoabwägeprozess spielen darf.

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